Direkt zum Hauptbereich

ANGST

15.2. und 16.2.2017

Martina

Die Windprognose sagt starke Winde für Donnerstag 16.2. und Freitag 17.2. 2017 aus Nord bis Nordwest voraus. Ein großes Tiefdruckgebiet wird in den nächsten 5 Tagen von NW Richtung SO ziehen, und wir sind genau in der Zugbahn dieses Tiefs.



Wir legen uns am Dienstagabend bei 20 Knoten Wind beruhigt schlafen, doch um 23:45 Uhr reißen uns die ersten heftigen Windböen und Regen aus dem Schlaf. Schnell aufstehen, alle Fenster schließen, unser Wassersammelsystem anhängen. Wir sind zwar mit unserm Zweitanker gut abgesichert, aber zu meiner Beruhigung aktiviert Florian den Ankeralarm auf einen Radius von 40 Metern.


Zurück in unsere Koje versuchen wir noch etwas Schlaf zu bekommen. Gelingt uns leider nur teilweise und so sind wir froh, dass die Nacht um 5:30 Uhr sein Ende findet. Der Wind legt immer mehr zu und unser Windmesser am Heck zeigt Windspitzen bis 30 Knoten. Noch ist der Wind aus Nord und wir haben unter diesen Bedingungen nicht den besten Wind- und Wellenschutz.
Die Anspannung an Bord ist deutlich spürbar. Florian lenkt sich mit Lesen, Französischlernen und Kinofilmen ab. Ich versuche mich zu beschäftigen, finde aber keine Ruhe, um irgendetwas Sinnvolles zu machen. Es ist Mittwochnachmittag und mittlerweile hat der Sturm eine Stärke von 35 Knoten erreicht und es schüttet in einer Intensität, wie wir es noch nie erlebt haben. Die Sicht ist maximal 10 Meter, wir sehen nur eine weiße Wand und die Windböen legen unsere Esperanza in eine Schräglage, dass sogar die Thermoskanne mit Florian´s Frühstückstee vom Tisch fällt. Ein Ankerplatz der das Gefühl verleiht wir sind auf See, die Wellen schlagen an die Bordwand, der Regen hämmert aufs Deck und wir müssen alles fest verschlossen halten, um die vom Sturm gepeitschten Regenmassen am Eindringen in unsere Esperanza zu hindern. Immer wieder schaffen es Sturmböen den ohnehin schon starken Wind schwach erscheinen zu lassen. Ich schaue Florian an, und gestehe ihm meine Angst.
Angst, warum eigentlich, fragt sich mein rationales Gehirn. Wir liegen mit zwei Ankern gut gesichert im Atoll, die Esperanza ist bis auf ein paar kleine Wassereinbrüche dicht, und das Ufer ist im Notfall mit dem Dingi in etwa 200 Metern zu erreichen. Wobei der Aufenthalt auf dem Motu mit all den Kokospalmen wahrscheinlich gefährlicher ist als man vermuten würde. Doch kaum verabschiedet sich der rationale Gedanke keimt das Gefühl der Angst wieder auf. Der Lärm im Bauch der Esperanza ist Furcht einflößend, die Wanten, Fallen und Leinen vibrieren, die Ankerkette zerrt knarrend am Rumpf, die Böen rütteln lautstark an unserem Bimini. Der Sturm erinnert an unsere Atlantiküberquerung und der Gedanke der Situation nicht entkommen zu können unterstützt das Gefühl der Wehrlosigkeit.
Der Sturm kann aber noch mehr und das zeigt er uns dann in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Der Windmesser zeigt uns nichts unter 35 Knoten und Spitzen über 45 Knoten. Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass es am Masttop mindestens 5 Knoten mehr hat, dann haben wir jedenfalls mehr Wind als vorausgesagt. Das schlechte dabei ist, dass der Höhepunkt des Tiefs erst für den kommenden Tag erwartet wird. Das Barometer fällt weiter und soll angeblich bis 998 Millibar fallen. Florian schläft am Boden im Salon, weil es ihm im Bug zu laut ist und zu viel schaukelt.

Geschlafen haben wir natürlich beide nicht sehr viel. Wenn die Nacht weicht und sich das tiefe Schwarz in ein dunkles Grau verändert, fühlt man sich schon etwas besser. Am Funk ist natürlich das Tief das Gesprächsthema Nummer eins. Wir im NW von den Tuamotus sind die ersten die dieser Front ausgeliefert sind, und alle die ebenfalls in der Tiefdruckrinne liegen bereiten sich auf Grund unserer Berichte gut vor.

Beliebte Posts aus diesem Blog

PAZIFIKÜBERQUERUNG 19.TAG

Martina 6.5/7.5.2016 Wir erleben einen traumhaften und überaus angenehmen Segeltag. Der Wind bietet uns ca.12 Knoten von Achtern und so schmiegt sich die Esperanza mit 6 Knoten über die Wellen. Keine schlagenden Segel, die uns quälen und wir kommen wirklich gut weiter. Ich sitze wie auf einem Kreuzfahrtschiff am Oberdeck und lese in meinem Buch "Der Schwarm". Dieses Buch hat mir eine liebe Freundin im Sommer geschenkt, und ich habe mir diesen Wälzer mit 989 Seiten für die Pazifiküberquerung aufgehoben. Ist sehr spannend aber auch beängstigend, handelt es doch von unkontrollierten Veränderungen auf den Weltmeeren. Unsere beiden Angeln werden täglich in der Früh ausgeworfen, und bei Einbruch der Dunkelheit wieder eingeholt. Gestern hatten wir ein besser getimtes Angelglück. Ein kleiner Bonito hat angebissen. Getötet, ausgenommen und filetiert kommt er ins Sackerl, und da beißt auch schon der nächste Bonito an. Perfekt, dieser ist auch um einiges größer als der Erste. Wunderbar,...

DER HIMMEL WEINT MIT

Martina Der Moment des Abschiedes ist für mich immer sehr schwierig. Noch am gestrigen Abend habe ich den Gedanken des Abschiedes aus meinem Kopf verbannt, doch heute in der Früh hat mich die Realität übermannt. Ein Frühstück mit einem Klos im Hals will einfach nicht schmecken. Die letzten Gepäckstücke in den Rucksack, und dann müssen wir ins Dingi, um die Beiden zum Sammeltaxi nach Panama City zu bringen. Ich versuche die letzten Minuten noch aufzusaugen, genießen so lange es geht. Leider kommt das Taxi pünktlich und so bleiben wirklich nur noch einige Minuten um die Beiden fest zu drücken und zu verabschieden. Ein Abschied für lange und unbestimmte Zeit. Ab jetzt werden die Distanzen doch für alle sehr sehr groß. Wir verabschieden die Beiden, und selbst der Himmel weint. Zurück zum Schiff, Maria und Thomas von der MODESTA erkennen die Lage und laden uns zur Aufheiterung auf Kaffee und Kakao ein. Sehr willkommen, jede Ablenkung ist willkommen. Gegen Mittag verlassen wir bei leichtem R...

HAPPY NEW YEAR 2018

Martina 31.12.2017 Hier an der Westküste von Australien gibt es die Tradition den Sonnenuntergang des 31. Dezembers am Strand zu genießen, und die letzte Sonne des Jahres zu verabschieden. Ein netter Brauch, dem wir uns natürlich gerne anschließen. Wir verbringen den Nachmittag bei heißen 35°C am Strand und werden Augenzeugen, wie sich ein überglückliches Hochzeitspaar samt Anzug und weißem Brautkleid ins Meer schmeißt. Nachdem wir zu der Zeit auch gerade im Wasser sind, kann ich mit keinem Schnappschuss dienen. Gegen 17 Uhr beginnt sich der gepflegte Strand zu füllen. Picknicktische, Sesseln und Decken werden rechtzeitig vorbereitet und die Sonne verabschiedet sich mit einem kräftigen Applaus um 19:26 Uhr. Kurz nach Sonnenuntergang kommen plötzlich viele kleine Papageien mit lautem Geschrei und setzten sich in die Baumkronen der im Uferbereich stehenden Bäume. Das ist angeblich ein tägliches Spektakel, wobei wir keinerlei Erklärung für dieses tägliche Schauspiel bekommen. Anschließend...